Das "grosse wandelnde Blatt

"Phyllium giganteum"

 

Das grosse, wandelnde Blatt zählt zu den grössten unter den wandelnden Blättern. Ausgewachsene Weibchen können bis zu 20cm Körpergrösse erreichen und sind damit deutlich grösser und schwerer, als ihre männlichen Artgenossen, was in dieser Insektengruppe jedoch nicht selten ist. 

Doch fangen wir von vorne an: 

Die "Nymphen" dieser Gattung schlüpfen nach 7-10 Monaten aus ihren samenähnlichen Eiern und messen dann kaum einen Centimeter. Sie sind dunkelbraun und unscheinbar gefärbt und sind dadurch kaum auf dem welken Laub am Waldboden auszumachen. Wenn man dann aber doch eines entdeckt und sich das Exemplar genauer und unter dem Licht betrachtet sieht man, dass sie "ziemlich bunt" gefärbt sind. Helle und dunkle brauntöne wechseln sich ab und ahmen schon da die Strukturen und Färbungen eines Blattes nach. Inklusive feinen Strichen, die die Blattadern nachahmen sollen. 

In diesem Stadion ist noch nicht zu erkennen, ob es sich um Männchen oder Weibchen handelt, das zeigt sich meistens erst nach ca. einem Monat. Wer jedoch ein scharfes Auge hat, kann erahnen, welches Geschlecht er vor sich hat. Auch sind sie in den ersten zwei bis drei Monaten deutlich aktiver und bewegungsfreudiger, da sie ihren Weg in die Baumkronen noch vor sich haben. 

Wann sie sich häuten werden zeigt sich in der Regel daran, dass sie den braunen Boden und die feinen, braunen Äste "schlagartig" verlassen und sich in grünere Gefilde begeben. Hierfür suchen sie sich meist frisch gesprossenes Junglaub, dass kleiner und heller ist und auf dem sie kaum auffallen. Auch bevorzugen sie die weichen, frisch gesprossenen Blätter zum fressen, da ihre Kauwerkzeuge noch relativ klein und "weich" sind und sich die weichen Blätter besser beissen lassen. 

(Tipps zur Fütterung inkl. Liste geeigneter Pflanzen finden sie unter "Terrarium")

Mit jeder Häutung die sie vollziehen wachsen sie ca. um das doppelte, was einen schon mal in Erstaunen versetzen kann. Nach und nach lassen sich auch die deutlichen Geschlechtsmerkmale erkennen:

Weibchen haben ein deutlich breiteres und flacheres Hinterteil. Wohingegen die Männchen eher schmal, aber rundlich gebaut sind und bereits nach der dritten bis vierten Häutung Flügelansätze zeigen. 

Bei den Weibchen bilden sich die Flügel erst nach ungefähr sieben bis acht Monaten aus und werden nie benutzt. 

Auch werden die Männchen viel früher geschlechtsreif, woraufhin sie nicht selten ausfliegen und sich auf die Suche nach einem passenden Weibchen machen. 

 

Haben sie eines gefunden, setzen sie ihr Sperma in den Zeugungstrakt des Weibchens, wo er noch mehrere Monate "unbenutzt" verbleiben kann. Einmal befruchtet kann sich ein Weibchen beliebig oft und zu beliebigen Zeitpunkten mit der DNA des Männchens selbst befruchten, ohne dabei auf eine weitere Paarung angewiesen zu sein. 

Sie können sich aber auch, wie alle Phasmiden, durch die sogenannte Jungfernzeugung selbst dann reproduzieren, wenn sie kein passendes Männchen gefunden haben. 

Da sie reine Pflanzenfresser sind, müssen die Männchen keine Angst haben, von ihrer Gattin gefressen zu werden, jedoch leben sie oft nicht mehr lange danach. Deshalb wenden sie all ihre Kraft auf, um sich mit so vielen Weibchen wie möglich paaren zu können, ehe sie mit nur drei bis vier Monaten sterben.

Dazu legen sie ihre Beine ganz eng an ihren Körper, was später ein Bisschen aussieht, als hätten sie sich bloss gemütlich eingekuschelt. 

Die Weibchen bekommen von alle dem nichts mit. Sie hängen und schaukeln weiter in ihren Blättern und werfen hin und wieder samenkörnergrosse Eier wie kleine Pistolenkugeln durch die Luft, damit der Kreislauf in ein paar Monaten von neuem beginnt. 

Das erleben sie selbst aber nicht mehr.

Nach zwölf bis achtzehn Monaten sterben auch sie und fallen, wie welke Blätter, zu Boden.